Frankfurt in der Champions League: Duell der Überperformer
Im Endspiel um die Königsklasse erweist sich Eintracht Frankfurt gegen Freiburg als nervenstärker. SC-Trainer Schuster feiert dennoch sein Team.

„Am Ende ist es Sport, ein Spiel.“ Dieses Gefühl, erklärte Frankfurts Trainer Dino Toppmöller, habe er versucht, seinen Profis zu vermitteln. Vielleicht habe das zum großen Erfolg beigetragen. Gemeint war die erstmalige Qualifikation der Eintracht für die Champions League nach dem 3:1 gegen Freiburg. Dass sein Team wie der Gegner Freiburg „eine sensationelle Saison“ gespielt habe, hätte schon vor dem Anpfiff festgestanden. Von Leichtigkeit war an diesem Nachmittag indes lange Zeit nichts zu spüren. Mit der Autosuggestion ist das sowieso so eine Sache. „Wir haben vor dem Spiel versucht, diesen gefühlten Druck von den Spielern wegzunehmen, aber er war ja trotzdem da“, musste dann Toppmöller eingestehen.
Genau genommen lag er über eine Stunde lang zentnerschwer über der Partie zwischen dem SC Freiburg und der Eintracht Frankfurt. Denn auch der Gastgeber stand an der Schwelle zur Königsklasse und hätte Vereinsgeschichte schreiben können. Auch hier wurde auf höchstem Niveau mit den Mitteln der Autosuggestion gearbeitet. Auf einem Banner in der Fankurve war zu lesen: „Heute könnt ihr nur gewinnen. Nie mehr 2. Liga.“
Vor Einführung der so spaltenden Champions League wäre es vermutlich ein vergleichsweise entspannter Bundesliganachmittag gewesen. Die Königsklasse zieht unterdessen einen großen Graben durch die Liga. Neben Ruhm und Ehre werden Unmengen an Geld verteilt. Fünfmal so hohe Beträge wie in der Europa League, mit der die Freiburger nun vorlieb nehmen müssen.
Wobei letztere etwas Ernüchterung in sich tragende Formulierung der taz den Abdruck einer Gegendarstellung durch den SC Freiburg einbringen könnte. Denn Trainer Schuster machte vor der versammelten Presse unmissverständlich klar, wie er sich die Berichterstattung über sein Team vorstellte: „Wir haben heute nichts verloren, wir haben um was kämpfen dürfen, das ist sensationell. (…) Was überwiegt, ist der Stolz über das Erreichte. Und diese Freude, das muss die Schlagzeile sein. Die möchte ich lesen.“
Moment des Zweifels
Eine Partie zweier Teams, die eigentlich nichts zu verlieren haben, malt man sich jedoch anders aus. Die Frankfurter brauchten anfangs einige Zeit, um dem körperlich energischen Spiel der Freiburger etwas entgegenzusetzen. Und dass sie just eine schon häufiger zur Aufführung gebrachte Variante der Gastgeber nicht verteidigen konnten, vor der Trainer Toppmöller im Vorfeld öffentlich gewarnt hatte, trug nicht zur Beruhigung der Nerven bei.
Ein langer Einwurf von Philipp Lienhart wurde auf Ritsu Doan verlängert, der in der 27. Minute zur Führung traf. Das im Frankfurter Umfeld gemalte Schreckensbild, das Team könne seit November just zu diesem entscheidenden Moment zum ersten Mal aus dem Königsklassenbereich herausgekickt werden, nahm Gestalt an. Eintracht-Sportvorstand räumte einen Moment des Zweifels ein: „Da war es schon so, dass ich dachte: jetzt wird es schwer. Weil sie natürlich auch sehr gut verteidigen.“
Die Druckverhältnisse schienen für die Gäste ins Unermessliche zu steigen. Die Fehler und Unzulänglichkeiten häuften sich aber nun bei den Freiburgern. Der wohl fatalste Fauxpas unterlief Lienhart, der nun zum Torvorbereiter auf der anderen Seite wurde, weil er ein Luftloch schlug und Ansgar Knauff den Ausgleich ermöglichte. Dem Führungstreffer der Frankfurter durch Rasmus Kristensen ging ein leichtfertiger Ballverlust des Freiburgers Vincenzo Grifo voraus. Mit dem dritten Treffer zwei Minuten später (Ellyes Skhiri, 63.) hatte sich der Druck wie bei einem geplatzten Ballon ins Nichts aufgelöst.
Dass dieser auf Frankfurter Seite gewaltiger war, ließ sich leicht an den Statements der Eintracht-Verantwortlichen erkennen. Vorstandssprecher Axel Hellmann, wählte in der Mixed Zone den martialischen Begriff der Wagenburgmentalität. Diese sei in den letzten Tagen eine Schlüssel zum Erfolg gewesen. Vor der Partie hatte er bereits beklagt, in Frankfurt werde mitunter eine Stimmung wie im Abstiegskampf verbreitet. Das Erreichen der Champions League bezeichnete er als einen „Erfolg der sportlichen Überperformance.“ Von der Etattabelle aus betrachtet müssten eigentlich vier andere Teams vor der Eintracht stehen.
Das Erbe von Christian Streich
Sowohl Freiburg als auch Frankfurt sind Beispiele dafür, wie viel in der Bundesliga mit vorausschauender kontinuierlicher Arbeit und stabilen Vereinsstrukturen möglich ist. An beiden Standorten wecken sowohl die Teams als auch die Trainer die Fantasie, sich weiter zum Positiven hin zu entwickeln. Eintrachts Trainer Dino Toppmöller ist auf diesem Niveau erst in seinem zweiten Berufsjahr, sein Freiburger Kollege Julian Schuster sogar absoluter Anfänger. In Frankfurt sammelten viele junge Spieler wie Fares Chaibi (22), Nnamdi Collins, Nathaniel Brown (beide 21) oder Jean-Matteo Bahoya (20) reichlich Spielzeit, beim SC Freiburg drängten sich zuletzt Max Rosenfelder (22) Jordy Makengo (23) oder Johan Manzambi (19) in den Vordergrund.
Die beiden Überperformer der Liga weisen in ihrem stetigen Understatement ebenso Ähnlichkeiten auf. Dabei konnten die Frankfurter mit dem Europa League-Gewinn 2022 und etlichen Verkäufen, unter anderem in dieser Saison mit Omar Marmoush, ihren finanziellen Spielräume deutlich ausweiten. Und die Freiburger sind binnen vier Jahren bereits das dritte Mal in der Europa League dabei. Eine Entwicklung, für die am Samstagabend sowohl etliche SC-Spieler als auch Schuster selbst den langjährigen Coach Christian Streich noch einmal hochleben ließen. „Es war kein schweres Erbe, es war ein sehr dankbares Erbe.“ Viel Streich würde in ihm stecken. Eggestein lobte Schusters guten Mix, der einige Ideen von seinem Vorgänger übernommen hätte und diese mit neuen Impulsen weiterentwickelt habe.
Hundert Prozent streichartig war Schusters Mahnung zum Ausgang der Saison: „Es kann sein, wir werden nächstes Jahr Elfter und diese Mannschaft muss dann genauso gefeiert werden wie heute.“ Wobei sein Team schon am Samstag große Probleme damit hatte, sich vom Publikum für den fünften Platz feiern zu lassen. Mit hängenden Schultern standen sie vor ihrem ausgelassen hüpfenden Anhang. Eggestein veranschlagte die Trauerarbeit gar auf „ein paar Tage“, ehe man sich gegenseitig zu einer tollen Saison gratulieren könne. Nicht auszudenken, wie groß die Enttäuschung auf Frankfurter Seite gewesen wäre.
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